Beschluss: 4. neXTgender - Das Prinzip Gender Mainstreaming
Originalversion
1 | Los geht’s, beginnen wir mit der Definition von GM: |
2 | |
3 | Gender |
4 | Der englische Begriff »gender« wurde gewählt, weil die |
5 | englische Sprache anders als die deutsche, die nur über den |
6 | Begriff »Geschlecht« verfügt, eine Unterscheidung zwischen |
7 | den Begriffen »sex« und »gender« vornimmt. »Sex« bezieht |
8 | sich auf das biologische Geschlecht und »gender« auf die |
9 | Geschlechterrollen, die sozial und kulturell zugewiesen |
10 | werden. Zur Verdeutlichung hier ein Beispiel: Zwar können |
11 | ausschließlich Frauen Kinder gebären, das ist biologisch |
12 | bedingt (sex). Es ist jedoch nicht von biologischen |
13 | Kriterien abhängig, wer die Kinder aufzieht. Das ist von den |
14 | sozialen und kulturellen Rollenzuweisungen in einer |
15 | Gesellschaft abhängig (gender) und damit politisch oder |
16 | gesellschaftlich veränderbar. |
17 | Um genau diese veränderbaren sozialen und kulturellen |
18 | Rollenzuweisungen geht es bei Gender zum einen, denn in |
19 | unserer Gesellschaft werden den Mädchen bzw. Frauen und den |
20 | Jungen bzw. Männern immer noch bestimmte Rollen, Aufgaben |
21 | und Verhaltensweisen aufgrund ihres Geschlechtes zugewiesen. |
22 | Zum anderen geht es aber zusätzlich um die gesellschaftliche |
23 | Bewertung dieser Rollen und um die so genannten |
24 | Geschlechterverhältnisse, also die Art der Beziehungen |
25 | zwischen Männern und Frauen. Denn die oben genannten |
26 | Rollenzuweisungen stehen zurzeit nicht neutral bzw. |
27 | gleichwertig nebeneinander, sondern bringen erhebliche |
28 | Nachteile für die Mädchen und Frauen mit sich. Mädchen und |
29 | Frauen stehen in der Hierarchie in dieser Gesellschaft weit |
30 | unter den Jungen und Männern, Weibliches wird eher negativ |
31 | und geringer bewertet; Männliches dagegen eher positiv und |
32 | hoch. |
33 | |
34 | Mainstreaming |
35 | »mainstreaming« heißt wörtlich übersetzt »Hauptfluss« und |
36 | meint, dass ein bestimmtes Handeln – hier das Vorantreiben |
37 | der Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter – |
38 | zum normalen Handlungsmuster einer Organisation oder der |
39 | Gesellschaft wird. |
40 | |
41 | Das Prinzip Gender Mainstreaming |
42 | Last but not least kommen wir nun zur Definition des |
43 | »Prinzips« von GM. Hier können wir auf die Begriffsklärung |
44 | der Arbeitsgruppe »Gender Mainstreaming« des |
45 | Landesjugendrings zurück greifen. Danach ist Gender |
46 | Mainstreaming ein neuer Ansatz, um die Gleichstellung der |
47 | Geschlechter zu verwirklichen. Diese Zielsetzung soll nicht |
48 | mehr als Sonderthema behandelt werden. Sie muss stattdessen |
49 | als ein wichtiger selbstverständlicher Bestandteil in alle |
50 | gesellschaftspolitischen, gesetzgeberischen und |
51 | wirtschaftlichen Entscheidungen einfließen. Das bedeutet, |
52 | dass Geschlechterpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. In |
53 | allen Lebensbereichen, insbesondere auch der Politik, müssen |
54 | Konzepte entwickelt werden, mit denen Maßnahmen und |
55 | Regelungen dahingehend hinterfragt werden, ob Frauen und |
56 | Männer unterschiedlich betroffen sind und welche |
57 | Auswirkungen das hat. Gender Mainstreaming ist somit ein |
58 | Grundprinzip, das in der täglichen Arbeit zu beachten und in |
59 | allen Bereichen und auf allen Ebenen mit Inhalten zu füllen |
60 | ist. Merke: Gender Mainstreaming ist nur in Ergänzung zu |
61 | geschlechtsspezifischer Arbeit, also der Arbeit nur mit |
62 | Mädchen oder Jungen, möglich. |
63 | Es geht also diesmal um beide Geschlechter, um ihre |
64 | jeweilige Ausgangsposition und Chancen in dieser |
65 | Gesellschaft und ihr politisches Verhältnis zueinander. |
66 | Neu ist außerdem, dass alle, Männer und Frauen, prinzipiell |
67 | und immer in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen |
68 | dazu beitragen sollen, dass die Gleichstellung der |
69 | Geschlechter verwirklicht wird. GM soll sich wie ein roter |
70 | Faden durch die Arbeit deiner Organisation ziehen und schon |
71 | zu Beginn eines jeden Vorhabens, eines jeden Prozesses |
72 | berücksichtigt werden. |
73 | Was das bedeutet, lässt sich an einem Beispiel aus einem |
74 | anderen Bereich, den Finanzen, leicht veranschaulichen. |
75 | Unabhängig davon, welche Vorhaben, Aktionen oder Maßnahmen |
76 | du planst, immer stellst du grundsätzlich und von Anfang an |
77 | die Frage nach den jeweiligen Kosten. Ein Kosten- bzw. |
78 | Finanzierungsplan wird schon zu Beginn erstellt. Seine |
79 | Einhaltung überprüfst du zwischendurch und am Ende immer |
80 | wieder. |
81 | |
82 | Gender Mainstreaming als Top-Down-Prozess |
83 | Ursprünglich ist das Prinzip GM als Top-Down-Prozess |
84 | gedacht. Die Spitze einer jeden Organisation soll zuerst die |
85 | Verantwortung für die Umsetzung des GM-Prinzips haben, da |
86 | diese auch über die finanziellen, personellen und |
87 | organisatorischen Rahmenbedingungen entscheidet. Erst später |
88 | soll GM dann auch von allen anderen Mitarbeiter-inne-n der |
89 | Organisation getragen werden. |
90 | Dieser »von-oben-nach-unten«-Prozess funktioniert in der |
91 | Jugendarbeit in der Regel nicht. Auch deine Praxis wird dir |
92 | sicherlich gezeigt haben, dass viele Neuerungen und |
93 | Veränderungsprozesse nicht von den Vorständen kommen, |
94 | sondern von Gruppen und Einzelpersonen. Außerdem sind viele |
95 | Mitglieder nicht nur Basis, also Jugendleiter-in oder |
96 | Ähnliches, sondern oft auch gleichzeitig Vorstandsmitglied. |
97 | Sie haben eine Doppelfunktion und sind sowohl Top (oben) als |
98 | auch Bottom (unten). Sie wirken als Basis in den Vorstand |
99 | (Bottom up) und als Vorstandsmitglied auf die Prozesse z.B. |
100 | in der Gruppenarbeit (Top down). |
101 | Deshalb musst du nicht erst warten, bis dein Vorstand GM auf |
102 | die Tagesordnung setzt, sondern kannst unabhängig davon |
103 | schon mal in deiner Gruppenarbeit beginnen. Wenn du in |
104 | deiner Arbeit merkst, dass die Umsetzung von GM in deiner |
105 | Organisation insgesamt stärker in Angriff genommen werden |
106 | sollte, dann bring doch entsprechende Vorschläge und Anträge |
107 | in eure Gremien ein. |
108 | |
109 | Gender Mainstreaming ist nur ein Werkzeug |
110 | Zum Schluss ist noch zu bedenken, dass GM lediglich ein |
111 | Instrument, ein Werkzeug zur Umsetzung einer |
112 | Geschlechtergleichstellung ist. Die politische |
113 | Auseinandersetzung darüber, wie die Verhältnisse zwischen |
114 | den Geschlechtern anders zu gestalten sind, muss ergänzend |
115 | hinzu kommen. Wer soll also unabhängig vom Geschlecht welche |
116 | Aufgaben erfüllen und warum und welche Wertschätzungen |
117 | erfahren diese in der Gesellschaft? Grundlagen für diesen |
118 | Auseinandersetzungsprozess sollten in Mädchen- bzw. Frauen- |
119 | und Jungen- bzw. Männergruppen, -arbeitskreisen und anderen |
120 | entsprechenden Netzwerken in deiner Organisation gewonnen |
121 | werden. Deshalb sagt der letzte Satz in der GM-Definition |
122 | des Landesjugendrings, dass Gender Mainstreaming nur in |
123 | Ergänzung zu geschlechtsspezifischer Arbeit möglich ist. |
124 | |
125 | Gender Mainstreaming in der Gruppenarbeit |
126 | So, nun hast du einen groben Überblick darüber, was das |
127 | Prinzip Gender Mainstreaming ist. Offen ist nun noch, wie GM |
128 | ganz praktisch in deine Gruppenarbeit kommt. |
129 | Wie du sicherlich bemerkt hast und wir am Anfang des Textes |
130 | ja auch schon gesagt haben, ist GM keine pädagogische |
131 | Maßnahme. Deshalb können wir dir hier auch keine |
132 | pädagogischen Konzepte und Methoden liefern, mit denen du |
133 | ansonsten zu arbeiten gewohnt bist. Bei GM geht es vielmehr |
134 | darum, die Entscheidungsprozesse deiner Organisation zu |
135 | verändern. Dies geschieht, in dem du bei allen Maßnahmen, |
136 | Projekten, Themen, Situationen etc. jeweils die Ausgangslage |
137 | der Mädchen und jungen Frauen und die der Jungen und jungen |
138 | Männer erfasst und gemäß dem Ziel der Gleichstellung der |
139 | Geschlechter Schlussfolgerungen und Handlungen daraus |
140 | ableitest. |
141 | |
142 | Schlüsselfragen als Methode |
143 | Die Methode ist also, viele und die richtigen Fragen, die so |
144 | genannten »Schlüsselfragen«, zu stellen. Dies geschieht im |
145 | GM-Prozess in folgenden vier Schritten: |
146 | |
147 | SCHLÜSSELFRAGEN (ist im Buch eine Tabelle) |
148 | 1. Schritt: Bestandsaufnahme Diese kann sich auf die |
149 | Gesellschaft beziehen, auf deinen Verband, auf ein |
150 | bestimmtes Thema, auf einzelne Maßnahmen und Projekte, je |
151 | nachdem, wie du es gerade brauchst. |
152 | 2. Schritt: Zielsetzungen formulieren ... immer gemessen an |
153 | dem Oberziel der Gleichstellung der Geschlechter. |
154 | 3. Schritt: Maßnahmen entwickeln und umsetzen Hier können |
155 | dich die Fachfrauen und -männer aus der Mädchen- bzw. |
156 | Jungenarbeit sowie aus der geschlechtsbewussten Pädagogik |
157 | unterstützen. Außerdem ist natürlich dieses Handbuch eine |
158 | kleine Hilfestellung. |
159 | 4. Schritt: Erfolgskontrolle (Evaluation) und Bewertung Du |
160 | misst deine Arbeit hinsichtlich der Zielerreichung und |
161 | ziehst Schlussfolgerungen für die Folgemaßnahmen daraus. |
162 | |
163 | |
164 | Nachhaltige Verankerung von Gender Mainstreaming |
165 | Um GM dauerhaft und nachhaltig in deiner Organisation zu |
166 | verankern, sollten drei Ebenen ins Visier genommen werden, |
167 | nämlich die erste Ebene der Strukturen und Handlungsfelder |
168 | der Organisation insgesamt, die zweite Ebene der ehren- und |
169 | hauptamtlichen Mitarbeiter-innen und die dritte Ebene der |
170 | Maßnahmen und Projekte, die sich an die Kinder und |
171 | Jugendlichen, also die Mädchen bzw. jungen Frauen und Jungen |
172 | bzw. jungen Männer richten. |
173 | Das kannst du natürlich auf keinen Fall alles allein |
174 | schaffen, dein Schwerpunkt wird vorrangig auf der Ebene der |
175 | Maßnahmen und Projekte liegen. Die anderen beiden Ebenen |
176 | stehen eher in der Verantwortung deiner Vorstände. Sprich |
177 | sie doch einfach mal an und begeistere sie für GM. Zur |
178 | Unterstützung dafür und für eine ausführlichere |
179 | Beschäftigung mit diesem Thema empfehlen wir dir das |
180 | »Handbuch zur Qualitätsentwicklung in der |
181 | Jugendverbandsarbeit« des LJR. |
182 | Im Folgenden haben wir eine kleine Auswahl von |
183 | Schlüsselfragen zusammengestellt, die dir dabei helfen |
184 | sollen, deine Gruppenarbeit sowie Projekte und Maßnahmen zu |
185 | »gendern«. Versuch doch einfach mal, zusammen mit anderen |
186 | Gruppenleiter-inne-n die Fragen zu beantworten. Solltet ihr |
187 | dabei Lust auf mehr bekommen, findet ihr unter |
188 | www.jugendserver-niedersachsen.de ausführlichere |
189 | Fragelisten. |
190 | Wir wünschen dir viel Spaß bei der Umsetzung! |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Los geht’s, beginnen wir mit der Definition von GM: |
2 | |
3 | Gender |
4 | Der englische Begriff »gender« wurde gewählt, weil die |
5 | englische Sprache anders als die deutsche, die nur über den |
6 | Begriff »Geschlecht« verfügt, eine Unterscheidung zwischen |
7 | den Begriffen »sex« und »gender« vornimmt. »Sex« bezieht |
8 | sich auf das biologische Geschlecht und »gender« auf die |
9 | Geschlechterrollen, die sozial und kulturell zugewiesen |
10 | werden. Zur Verdeutlichung hier ein Beispiel: Zwar können |
11 | ausschließlich Frauen Kinder gebären, das ist biologisch |
12 | bedingt (sex). Es ist jedoch nicht von biologischen |
13 | Kriterien abhängig, wer die Kinder aufzieht. Das ist von den |
14 | sozialen und kulturellen Rollenzuweisungen in einer |
15 | Gesellschaft abhängig (gender) und damit politisch oder |
16 | gesellschaftlich veränderbar. |
17 | Um genau diese veränderbaren sozialen und kulturellen |
18 | Rollenzuweisungen geht es bei Gender zum einen, denn in |
19 | unserer Gesellschaft werden den Mädchen bzw. Frauen und den |
20 | Jungen bzw. Männern immer noch bestimmte Rollen, Aufgaben |
21 | und Verhaltensweisen aufgrund ihres Geschlechtes zugewiesen. |
22 | Zum anderen geht es aber zusätzlich um die gesellschaftliche |
23 | Bewertung dieser Rollen und um die so genannten |
24 | Geschlechterverhältnisse, also die Art der Beziehungen |
25 | zwischen Männern und Frauen. Denn die oben genannten |
26 | Rollenzuweisungen stehen zurzeit nicht neutral bzw. |
27 | gleichwertig nebeneinander, sondern bringen erhebliche |
28 | Nachteile für die Mädchen und Frauen mit sich. Mädchen und |
29 | Frauen stehen in der Hierarchie in dieser Gesellschaft weit |
30 | unter den Jungen und Männern, Weibliches wird eher negativ |
31 | und geringer bewertet; Männliches dagegen eher positiv und |
32 | hoch. |
33 | |
34 | Mainstreaming |
35 | »mainstreaming« heißt wörtlich übersetzt »Hauptfluss« und |
36 | meint, dass ein bestimmtes Handeln – hier das Vorantreiben |
37 | der Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter – |
38 | zum normalen Handlungsmuster einer Organisation oder der |
39 | Gesellschaft wird. |
40 | |
41 | Das Prinzip Gender Mainstreaming |
42 | Last but not least kommen wir nun zur Definition des |
43 | »Prinzips« von GM. Hier können wir auf die Begriffsklärung |
44 | der Arbeitsgruppe »Gender Mainstreaming« des |
45 | Landesjugendrings zurück greifen. Danach ist Gender |
46 | Mainstreaming ein neuer Ansatz, um die Gleichstellung der |
47 | Geschlechter zu verwirklichen. Diese Zielsetzung soll nicht |
48 | mehr als Sonderthema behandelt werden. Sie muss stattdessen |
49 | als ein wichtiger selbstverständlicher Bestandteil in alle |
50 | gesellschaftspolitischen, gesetzgeberischen und |
51 | wirtschaftlichen Entscheidungen einfließen. Das bedeutet, |
52 | dass Geschlechterpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. In |
53 | allen Lebensbereichen, insbesondere auch der Politik, müssen |
54 | Konzepte entwickelt werden, mit denen Maßnahmen und |
55 | Regelungen dahingehend hinterfragt werden, ob Frauen und |
56 | Männer unterschiedlich betroffen sind und welche |
57 | Auswirkungen das hat. Gender Mainstreaming ist somit ein |
58 | Grundprinzip, das in der täglichen Arbeit zu beachten und in |
59 | allen Bereichen und auf allen Ebenen mit Inhalten zu füllen |
60 | ist. Merke: Gender Mainstreaming ist nur in Ergänzung zu |
61 | geschlechtsspezifischer Arbeit, also der Arbeit nur mit |
62 | Mädchen oder Jungen, möglich. |
63 | Es geht also diesmal um beide Geschlechter, um ihre |
64 | jeweilige Ausgangsposition und Chancen in dieser |
65 | Gesellschaft und ihr politisches Verhältnis zueinander. |
66 | Neu ist außerdem, dass alle, Männer und Frauen, prinzipiell |
67 | und immer in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen |
68 | dazu beitragen sollen, dass die Gleichstellung der |
69 | Geschlechter verwirklicht wird. GM soll sich wie ein roter |
70 | Faden durch die Arbeit deiner Organisation ziehen und schon |
71 | zu Beginn eines jeden Vorhabens, eines jeden Prozesses |
72 | berücksichtigt werden. |
73 | Was das bedeutet, lässt sich an einem Beispiel aus einem |
74 | anderen Bereich, den Finanzen, leicht veranschaulichen. |
75 | Unabhängig davon, welche Vorhaben, Aktionen oder Maßnahmen |
76 | du planst, immer stellst du grundsätzlich und von Anfang an |
77 | die Frage nach den jeweiligen Kosten. Ein Kosten- bzw. |
78 | Finanzierungsplan wird schon zu Beginn erstellt. Seine |
79 | Einhaltung überprüfst du zwischendurch und am Ende immer |
80 | wieder. |
81 | |
82 | Gender Mainstreaming als Top-Down-Prozess |
83 | Ursprünglich ist das Prinzip GM als Top-Down-Prozess |
84 | gedacht. Die Spitze einer jeden Organisation soll zuerst die |
85 | Verantwortung für die Umsetzung des GM-Prinzips haben, da |
86 | diese auch über die finanziellen, personellen und |
87 | organisatorischen Rahmenbedingungen entscheidet. Erst später |
88 | soll GM dann auch von allen anderen Mitarbeiter-inne-n der |
89 | Organisation getragen werden. |
90 | Dieser »von-oben-nach-unten«-Prozess funktioniert in der |
91 | Jugendarbeit in der Regel nicht. Auch deine Praxis wird dir |
92 | sicherlich gezeigt haben, dass viele Neuerungen und |
93 | Veränderungsprozesse nicht von den Vorständen kommen, |
94 | sondern von Gruppen und Einzelpersonen. Außerdem sind viele |
95 | Mitglieder nicht nur Basis, also Jugendleiter-in oder |
96 | Ähnliches, sondern oft auch gleichzeitig Vorstandsmitglied. |
97 | Sie haben eine Doppelfunktion und sind sowohl Top (oben) als |
98 | auch Bottom (unten). Sie wirken als Basis in den Vorstand |
99 | (Bottom up) und als Vorstandsmitglied auf die Prozesse z.B. |
100 | in der Gruppenarbeit (Top down). |
101 | Deshalb musst du nicht erst warten, bis dein Vorstand GM auf |
102 | die Tagesordnung setzt, sondern kannst unabhängig davon |
103 | schon mal in deiner Gruppenarbeit beginnen. Wenn du in |
104 | deiner Arbeit merkst, dass die Umsetzung von GM in deiner |
105 | Organisation insgesamt stärker in Angriff genommen werden |
106 | sollte, dann bring doch entsprechende Vorschläge und Anträge |
107 | in eure Gremien ein. |
108 | |
109 | Gender Mainstreaming ist nur ein Werkzeug |
110 | Zum Schluss ist noch zu bedenken, dass GM lediglich ein |
111 | Instrument, ein Werkzeug zur Umsetzung einer |
112 | Geschlechtergleichstellung ist. Die politische |
113 | Auseinandersetzung darüber, wie die Verhältnisse zwischen |
114 | den Geschlechtern anders zu gestalten sind, muss ergänzend |
115 | hinzu kommen. Wer soll also unabhängig vom Geschlecht welche |
116 | Aufgaben erfüllen und warum und welche Wertschätzungen |
117 | erfahren diese in der Gesellschaft? Grundlagen für diesen |
118 | Auseinandersetzungsprozess sollten in Mädchen- bzw. Frauen- |
119 | und Jungen- bzw. Männergruppen, -arbeitskreisen und anderen |
120 | entsprechenden Netzwerken in deiner Organisation gewonnen |
121 | werden. Deshalb sagt der letzte Satz in der GM-Definition |
122 | des Landesjugendrings, dass Gender Mainstreaming nur in |
123 | Ergänzung zu geschlechtsspezifischer Arbeit möglich ist. |
124 | |
125 | Gender Mainstreaming in der Gruppenarbeit |
126 | So, nun hast du einen groben Überblick darüber, was das |
127 | Prinzip Gender Mainstreaming ist. Offen ist nun noch, wie GM |
128 | ganz praktisch in deine Gruppenarbeit kommt. |
129 | Wie du sicherlich bemerkt hast und wir am Anfang des Textes |
130 | ja auch schon gesagt haben, ist GM keine pädagogische |
131 | Maßnahme. Deshalb können wir dir hier auch keine |
132 | pädagogischen Konzepte und Methoden liefern, mit denen du |
133 | ansonsten zu arbeiten gewohnt bist. Bei GM geht es vielmehr |
134 | darum, die Entscheidungsprozesse deiner Organisation zu |
135 | verändern. Dies geschieht, in dem du bei allen Maßnahmen, |
136 | Projekten, Themen, Situationen etc. jeweils die Ausgangslage |
137 | der Mädchen und jungen Frauen und die der Jungen und jungen |
138 | Männer erfasst und gemäß dem Ziel der Gleichstellung der |
139 | Geschlechter Schlussfolgerungen und Handlungen daraus |
140 | ableitest. |
141 | |
142 | Schlüsselfragen als Methode |
143 | Die Methode ist also, viele und die richtigen Fragen, die so |
144 | genannten »Schlüsselfragen«, zu stellen. Dies geschieht im |
145 | GM-Prozess in folgenden vier Schritten: |
146 | |
147 | SCHLÜSSELFRAGEN (ist im Buch eine Tabelle) |
148 | 1. Schritt: Bestandsaufnahme Diese kann sich auf die |
149 | Gesellschaft beziehen, auf deinen Verband, auf ein |
150 | bestimmtes Thema, auf einzelne Maßnahmen und Projekte, je |
151 | nachdem, wie du es gerade brauchst. |
152 | 2. Schritt: Zielsetzungen formulieren ... immer gemessen an |
153 | dem Oberziel der Gleichstellung der Geschlechter. |
154 | 3. Schritt: Maßnahmen entwickeln und umsetzen Hier können |
155 | dich die Fachfrauen und -männer aus der Mädchen- bzw. |
156 | Jungenarbeit sowie aus der geschlechtsbewussten Pädagogik |
157 | unterstützen. Außerdem ist natürlich dieses Handbuch eine |
158 | kleine Hilfestellung. |
159 | 4. Schritt: Erfolgskontrolle (Evaluation) und Bewertung Du |
160 | misst deine Arbeit hinsichtlich der Zielerreichung und |
161 | ziehst Schlussfolgerungen für die Folgemaßnahmen daraus. |
162 | |
163 | |
164 | Nachhaltige Verankerung von Gender Mainstreaming |
165 | Um GM dauerhaft und nachhaltig in deiner Organisation zu |
166 | verankern, sollten drei Ebenen ins Visier genommen werden, |
167 | nämlich die erste Ebene der Strukturen und Handlungsfelder |
168 | der Organisation insgesamt, die zweite Ebene der ehren- und |
169 | hauptamtlichen Mitarbeiter-innen und die dritte Ebene der |
170 | Maßnahmen und Projekte, die sich an die Kinder und |
171 | Jugendlichen, also die Mädchen bzw. jungen Frauen und Jungen |
172 | bzw. jungen Männer richten. |
173 | Das kannst du natürlich auf keinen Fall alles allein |
174 | schaffen, dein Schwerpunkt wird vorrangig auf der Ebene der |
175 | Maßnahmen und Projekte liegen. Die anderen beiden Ebenen |
176 | stehen eher in der Verantwortung deiner Vorstände. Sprich |
177 | sie doch einfach mal an und begeistere sie für GM. Zur |
178 | Unterstützung dafür und für eine ausführlichere |
179 | Beschäftigung mit diesem Thema empfehlen wir dir das |
180 | »Handbuch zur Qualitätsentwicklung in der |
181 | Jugendverbandsarbeit« des LJR. |
182 | Im Folgenden haben wir eine kleine Auswahl von |
183 | Schlüsselfragen zusammengestellt, die dir dabei helfen |
184 | sollen, deine Gruppenarbeit sowie Projekte und Maßnahmen zu |
185 | »gendern«. Versuch doch einfach mal, zusammen mit anderen |
186 | Gruppenleiter-inne-n die Fragen zu beantworten. Solltet ihr |
187 | dabei Lust auf mehr bekommen, findet ihr unter |
188 | www.jugendserver-niedersachsen.de ausführlichere |
189 | Fragelisten. |
190 | Wir wünschen dir viel Spaß bei der Umsetzung! |
-
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Vorschlag