Beschluss: 2.1 neXTgender - Grundlagen von Jungenarbeit

Originalversion

1 Warum Jungenarbeit?
2 Jungenarbeit ist notwendig und wichtig, weil Jungen aufgrund
3 der sich auflösenden traditionellen Männerrollen
4 verunsichert sind und Orientierung suchen. Männer als reale
5 Rollenvorbilder, an denen sich die Jungen bewusst
6 orientieren und reiben können, sind im Alltag der Jungen
7 (und Mädchen) jedoch kaum vorhanden, sei es zu Hause oder in
8 der Schule. Bei der Beantwortung der Frage, was ein Mann
9 ist, bleibt den Jungen im Allgemeinen nur, den
10 unerreichbaren Männerbildern, die ihnen die moderne
11 Medienwelt entgegenbringt, oder ihren Vorstellungen davon,
12 wie Männer – z.B. der Vater am Arbeitsplatz – wohl sein
13 mögen, nachzueifern. Deren gemeinsamer Hauptnenner besteht
14 vor allem darin, sich von allem »weiblichen« abzugrenzen.
15 Alles als »weiblich« bezeichnete wird abgewertet.
16 Dementsprechend sind z.B. die Fähigkeiten von Jungen in
17 emotionalen und alltagspraktischen Bereichen häufig nur
18 schwach ausgebildet.
19 Aus der unumstrittenen Benachteiligung von Mädchen darf
20 jedoch nicht voreilig auf eine Bevorzugung von Jungen
21 geschlossen werden. Jungen machen nicht nur Probleme, sie
22 haben auch welche, vornehmlich in den Bereichen Gesundheit,
23 Bildungsbeteiligung und Gewalterfahrung. Junge zu sein
24 bedeutet, sich ständig an dem messen zu lassen, was
25 landläufig als »männlich« gilt. Zwischen »cool sein« und
26 »großer Klappe« ist es oft schwer, aus den eigenen
27 Bedürfnissen und Interessen eine eigenständige
28 Persönlichkeit zu entwickeln und zu vertreten.
29
30 Ziele
31 Jungenarbeit will mit ihren Angeboten
32 > Jungen unterstützen, zu sich zu kommen, emotionale
33 Lebendigkeit zu entwickeln,
34 > Jungen helfen, Körperlichkeit neu zu erleben und zu
35 spüren,
36 > die Wahrnehmung und Achtung eigener und fremder Grenzen
37 fördern,
38 > Handlungsmöglichkeiten und -spielräume von Jungen
39 erweitern,
40 > Unterstützung und Orientierungshilfe bei der Mannwerdung
41 bieten,
42 > zur Reflexion männlicher Geschlechterrollen und
43 Verhaltensweisen beitragen,
44 > die vielen Möglichkeiten des Mann-Seins als Bereicherung
45 erfahrbar machen,
46 > soziale Kompetenzen bei Jungen fördern,
47 > einen Beitrag für ein geschlechterdemokratisches
48 Miteinander leisten.
49
50 Jungenarbeit hat darüber hinaus politisch die Aufgabe, sich
51 für die Interessen von Jungen in Gremien auf allen Ebenen
52 einzusetzen. Nun sind solche Gremien meistens zwar von
53 männlichen Jugendlichen und Männern besetzt, doch das macht
54 dir das Eintreten für dieses Anliegen nicht unbedingt
55 einfacher. Also: vernetze dich, schließe dich mit
56 Gleichgesinnten zusammen, gerade auch mit den jungen Frauen
57 in deiner Umgebung, die Mädchenarbeit machen. Und vertretet
58 gemeinsam eure Ziele und Ideen zur geschlechtsbezogenen
59 Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es geht um das
60 solidarische Neben- und Miteinander von Jungen- und
61 Mädchenarbeit, um die Erweiterung der Ressourcen beider
62 Ansätze: Dies darf nicht auf Kosten bestehender
63 Mädchenarbeit passieren oder gar finanziert werden. Lasst
64 euch nicht gegeneinander ausspielen.
65
66 Qualitätsprinzipien
67 Qualitätsmerkmal von Jungenarbeit ist, sich bei ihrer
68 Umsetzung an bestimmten Prinzipien zu orientieren. Sie
69 lassen sich griffig unterteilen in: »Für uns, über uns,
70 unter uns«
71 Für uns bedeutet, dass es sich für Jungen lohnt, sich mit
72 den Facetten von Männlichkeit auseinander zu setzen. Aber
73 auch, dass Jungenarbeit für Jungen einen »Gebrauchswert«
74 haben muss und dementsprechend viel mit Spaß, Lust, Neuem
75 und Entdecken zu tun haben sollte.
76 Über uns bedeutet, dass Themen stattfinden, die für die
77 jeweiligen Jungen selbst bedeutsam sind, die vielleicht
78 zunächst ungewöhnlich erscheinen, aber im Verlauf für die
79 Jungen einen klaren Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit
80 erkennen lassen.
81 Unter uns bedeutet, dass Jungenarbeit in reinen
82 Jungengruppen stattfindet in denen menschliche Männlichkeit
83 und Selbstidentität zugleich Weg und Ziel sind. Hier bietet
84 sich ihnen ein Freiraum, in dem sie die Möglichkeit haben,
85 Themen anzusprechen, die in der gemischten Gruppe so nicht
86 zur Sprache kommen.
87
88 Die Rolle des Jugendleiters
89 Als Jugendleiter bist du das, was den Jungen im Allgemeinen
90 fehlt: ein »reales« Beispiel für Männlichkeit bzw. für ihre
91 eigene Entwicklung zum Mann, für Junge-Sein in ihrer
92 Alltagswelt. Und sie brauchen nicht nur eines, sondern eine
93 ganze Menge verschiedener Beispiele von Männlichkeit, an
94 denen sie sich reiben, aus denen sie einen ihren
95 Bedürfnissen entsprechenden Entwurf von Männlichkeit
96 entwickeln können. Jungenarbeit beginnt für sie immer dann,
97 wenn sie einen Gruppenleiter (also dich!) erleben, der
98 angreifbar und hinterfragbar ist. Der es sagt, wenn er nicht
99 mehr weiter weiß, Fehler eingesteht und Schwäche zeigen
100 kann. Da wird es für Jungen spannend: Wenn Männer dazu
101 stehen, dass sie keine Helden sind, sondern Fehler machen,
102 nicht immer alles im Griff haben, unsicher sind. Dann
103 erweitert sich für sie ihr männliches Verhaltensrepertoire.
104 Für Jungenarbeit brauchst du zwar auch Hintergrundwissen (zu
105 Themen wie Sozialisationsbedingungen, Männlichkeiten,
106 Geschlechterverhältnisse), Jungenarbeit will aber
107 insbesondere von dir gelebt sein. Wenn du so mit Jungen
108 arbeitest, wirst du merken, wie wichtig es ist, dich immer
109 wieder mit deiner eigenen Mannwerdung, deinem eigenen
110 Mann-Sein und deinen Bildern von Männlichkeit auseinander zu
111 setzen.
112 Hierzu bietet sich der Austausch mit anderen Jugendleitern
113 und anderen Männern an. Mache Jungenarbeit nicht allein,
114 sondern zu zweit im Team. Begeistere andere, suche dir
115 Verbündete, im Verband, unter gleich gesinnten Männern, auf
116 Fortbildungen oder in Arbeitskreisen. Es ist gut, mit
117 anderen darüber zu reden, sich auszutauschen, neue Ideen zu
118 entwickeln und eventuell sogar neue gemeinsame Projekte
119 anzustoßen.
120 Methoden
121 Grundsätzlich ist jede herkömmliche bewährte Methode aus der
122 Jugendarbeit in der Jungenarbeit einsetzbar. Wichtig ist,
123 dass du bei der Auswahl einer Methode diese auf damit
124 verbundene traditionelle Männerbilder und
125 Geschlechterklischees hinterfragst und die Methode
126 gegebenenfalls entsprechend geschlechtsspezifisch
127 veränderst. Jede Methode dient letztlich als Anlass, um mit
128 den Jungen ins Gespräch zu kommen, um Kommunikation unter
129 Jungen anzuregen.
130 Nach der Anwendung einer Aktion/Übung wird in der Regel eine
131 Reflexionsrunde durchgeführt. Etwa zu Fragen wie: »Hat es
132 euch gefallen?«, »Was war neu für euch?«, »Haben sich alle
133 an die Regeln gehalten?«, »Könnt ihr mit dieser Übung etwas
134 im Alltag anfangen?« oder mit anderen Auswertungsmethoden
135 wie Blitzlichter, Evaluationszielscheiben u.s.w. Du als
136 Leiter achtest darauf, dass die vereinbarten Gesprächsregeln
137 eingehalten werden. Konkret: Nur je einer spricht. Niemand
138 wird unterbrochen. Nachfragen sind erlaubt. Achte darauf,
139 dass alle Jungen sich zu dem Thema äußern. Bewährt hat sich
140 hierfür der Redestab oder ein anderer Gegenstand, der an den
141 jeweiligen Sprecher weitergeht.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Warum Jungenarbeit?
2 Jungenarbeit ist notwendig und wichtig, weil Jungen aufgrund
3 der sich auflösenden traditionellen Männerrollen
4 verunsichert sind und Orientierung suchen. Männer als reale
5 Rollenvorbilder, an denen sich die Jungen bewusst
6 orientieren und reiben können, sind im Alltag der Jungen
7 (und Mädchen) jedoch kaum vorhanden, sei es zu Hause oder in
8 der Schule. Bei der Beantwortung der Frage, was ein Mann
9 ist, bleibt den Jungen im Allgemeinen nur, den
10 unerreichbaren Männerbildern, die ihnen die moderne
11 Medienwelt entgegenbringt, oder ihren Vorstellungen davon,
12 wie Männer – z.B. der Vater am Arbeitsplatz – wohl sein
13 mögen, nachzueifern. Deren gemeinsamer Hauptnenner besteht
14 vor allem darin, sich von allem »weiblichen« abzugrenzen.
15 Alles als »weiblich« bezeichnete wird abgewertet.
16 Dementsprechend sind z.B. die Fähigkeiten von Jungen in
17 emotionalen und alltagspraktischen Bereichen häufig nur
18 schwach ausgebildet.
19 Aus der unumstrittenen Benachteiligung von Mädchen darf
20 jedoch nicht voreilig auf eine Bevorzugung von Jungen
21 geschlossen werden. Jungen machen nicht nur Probleme, sie
22 haben auch welche, vornehmlich in den Bereichen Gesundheit,
23 Bildungsbeteiligung und Gewalterfahrung. Junge zu sein
24 bedeutet, sich ständig an dem messen zu lassen, was
25 landläufig als »männlich« gilt. Zwischen »cool sein« und
26 »großer Klappe« ist es oft schwer, aus den eigenen
27 Bedürfnissen und Interessen eine eigenständige
28 Persönlichkeit zu entwickeln und zu vertreten.
29
30 Ziele
31 Jungenarbeit will mit ihren Angeboten
32 > Jungen unterstützen, zu sich zu kommen, emotionale
33 Lebendigkeit zu entwickeln,
34 > Jungen helfen, Körperlichkeit neu zu erleben und zu
35 spüren,
36 > die Wahrnehmung und Achtung eigener und fremder Grenzen
37 fördern,
38 > Handlungsmöglichkeiten und -spielräume von Jungen
39 erweitern,
40 > Unterstützung und Orientierungshilfe bei der Mannwerdung
41 bieten,
42 > zur Reflexion männlicher Geschlechterrollen und
43 Verhaltensweisen beitragen,
44 > die vielen Möglichkeiten des Mann-Seins als Bereicherung
45 erfahrbar machen,
46 > soziale Kompetenzen bei Jungen fördern,
47 > einen Beitrag für ein geschlechterdemokratisches
48 Miteinander leisten.
49
50 Jungenarbeit hat darüber hinaus politisch die Aufgabe, sich
51 für die Interessen von Jungen in Gremien auf allen Ebenen
52 einzusetzen. Nun sind solche Gremien meistens zwar von
53 männlichen Jugendlichen und Männern besetzt, doch das macht
54 dir das Eintreten für dieses Anliegen nicht unbedingt
55 einfacher. Also: vernetze dich, schließe dich mit
56 Gleichgesinnten zusammen, gerade auch mit den jungen Frauen
57 in deiner Umgebung, die Mädchenarbeit machen. Und vertretet
58 gemeinsam eure Ziele und Ideen zur geschlechtsbezogenen
59 Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es geht um das
60 solidarische Neben- und Miteinander von Jungen- und
61 Mädchenarbeit, um die Erweiterung der Ressourcen beider
62 Ansätze: Dies darf nicht auf Kosten bestehender
63 Mädchenarbeit passieren oder gar finanziert werden. Lasst
64 euch nicht gegeneinander ausspielen.
65
66 Qualitätsprinzipien
67 Qualitätsmerkmal von Jungenarbeit ist, sich bei ihrer
68 Umsetzung an bestimmten Prinzipien zu orientieren. Sie
69 lassen sich griffig unterteilen in: »Für uns, über uns,
70 unter uns«
71 Für uns bedeutet, dass es sich für Jungen lohnt, sich mit
72 den Facetten von Männlichkeit auseinander zu setzen. Aber
73 auch, dass Jungenarbeit für Jungen einen »Gebrauchswert«
74 haben muss und dementsprechend viel mit Spaß, Lust, Neuem
75 und Entdecken zu tun haben sollte.
76 Über uns bedeutet, dass Themen stattfinden, die für die
77 jeweiligen Jungen selbst bedeutsam sind, die vielleicht
78 zunächst ungewöhnlich erscheinen, aber im Verlauf für die
79 Jungen einen klaren Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit
80 erkennen lassen.
81 Unter uns bedeutet, dass Jungenarbeit in reinen
82 Jungengruppen stattfindet in denen menschliche Männlichkeit
83 und Selbstidentität zugleich Weg und Ziel sind. Hier bietet
84 sich ihnen ein Freiraum, in dem sie die Möglichkeit haben,
85 Themen anzusprechen, die in der gemischten Gruppe so nicht
86 zur Sprache kommen.
87
88 Die Rolle des Jugendleiters
89 Als Jugendleiter bist du das, was den Jungen im Allgemeinen
90 fehlt: ein »reales« Beispiel für Männlichkeit bzw. für ihre
91 eigene Entwicklung zum Mann, für Junge-Sein in ihrer
92 Alltagswelt. Und sie brauchen nicht nur eines, sondern eine
93 ganze Menge verschiedener Beispiele von Männlichkeit, an
94 denen sie sich reiben, aus denen sie einen ihren
95 Bedürfnissen entsprechenden Entwurf von Männlichkeit
96 entwickeln können. Jungenarbeit beginnt für sie immer dann,
97 wenn sie einen Gruppenleiter (also dich!) erleben, der
98 angreifbar und hinterfragbar ist. Der es sagt, wenn er nicht
99 mehr weiter weiß, Fehler eingesteht und Schwäche zeigen
100 kann. Da wird es für Jungen spannend: Wenn Männer dazu
101 stehen, dass sie keine Helden sind, sondern Fehler machen,
102 nicht immer alles im Griff haben, unsicher sind. Dann
103 erweitert sich für sie ihr männliches Verhaltensrepertoire.
104 Für Jungenarbeit brauchst du zwar auch Hintergrundwissen (zu
105 Themen wie Sozialisationsbedingungen, Männlichkeiten,
106 Geschlechterverhältnisse), Jungenarbeit will aber
107 insbesondere von dir gelebt sein. Wenn du so mit Jungen
108 arbeitest, wirst du merken, wie wichtig es ist, dich immer
109 wieder mit deiner eigenen Mannwerdung, deinem eigenen
110 Mann-Sein und deinen Bildern von Männlichkeit auseinander zu
111 setzen.
112 Hierzu bietet sich der Austausch mit anderen Jugendleitern
113 und anderen Männern an. Mache Jungenarbeit nicht allein,
114 sondern zu zweit im Team. Begeistere andere, suche dir
115 Verbündete, im Verband, unter gleich gesinnten Männern, auf
116 Fortbildungen oder in Arbeitskreisen. Es ist gut, mit
117 anderen darüber zu reden, sich auszutauschen, neue Ideen zu
118 entwickeln und eventuell sogar neue gemeinsame Projekte
119 anzustoßen.
120 Methoden
121 Grundsätzlich ist jede herkömmliche bewährte Methode aus der
122 Jugendarbeit in der Jungenarbeit einsetzbar. Wichtig ist,
123 dass du bei der Auswahl einer Methode diese auf damit
124 verbundene traditionelle Männerbilder und
125 Geschlechterklischees hinterfragst und die Methode
126 gegebenenfalls entsprechend geschlechtsspezifisch
127 veränderst. Jede Methode dient letztlich als Anlass, um mit
128 den Jungen ins Gespräch zu kommen, um Kommunikation unter
129 Jungen anzuregen.
130 Nach der Anwendung einer Aktion/Übung wird in der Regel eine
131 Reflexionsrunde durchgeführt. Etwa zu Fragen wie: »Hat es
132 euch gefallen?«, »Was war neu für euch?«, »Haben sich alle
133 an die Regeln gehalten?«, »Könnt ihr mit dieser Übung etwas
134 im Alltag anfangen?« oder mit anderen Auswertungsmethoden
135 wie Blitzlichter, Evaluationszielscheiben u.s.w. Du als
136 Leiter achtest darauf, dass die vereinbarten Gesprächsregeln
137 eingehalten werden. Konkret: Nur je einer spricht. Niemand
138 wird unterbrochen. Nachfragen sind erlaubt. Achte darauf,
139 dass alle Jungen sich zu dem Thema äußern. Bewährt hat sich
140 hierfür der Redestab oder ein anderer Gegenstand, der an den
141 jeweiligen Sprecher weitergeht.

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